Enrico Gerloff im Gespräch mit Nadja Ertmer von Haus & Grund Magdeburg e.V.
Die Grundsteuerreform 2022: Was genau hat es mit der Grundsteuerreform auf sich? Warum wurde diese beschlossen? Was kommt nun auf mich zu und was muss ich dringend beachten? Diese Fragen stellen sich gegenwärtig sicherlich viele Immobilieneigentümer. Auch birgt die Thematik einige Fallstricke und rechtliche Gefahren.
Themen im Überblick:
Das Gespräch
- Liebe Frau Ertmer, vielen Dank, dass Sie heute mein Gast sind. In den Medien ist das Thema Grundsteuerreform immer mehr wahrzunehmen. Was hat sich im Grundsteuergesetz verändert und welche Personen sind eigentlich genau davon betroffen?
- Welche Daten werden von mir als Immobilieneigentümer eingefordert?
- Unserer Erfahrung nach existieren oftmals bei Häusern, die älter als einem Baujahr von 1990 sind, keine aktuellen oder gar keine Grundrisse und Wohnflächenberechnungen. Angenommen dieser Fall tritt für mich als Eigentümer ein, welche Möglichkeiten habe ich, um meine Daten rechtssicher angeben zu können?
- Genau, das ist die Praxis, wenn unsere Kunden eine Immobilie verkaufen möchte. Deshalb führen Immobilienmakler in diesem Prozess immer eine Wohnflächenberechnung nach der aktuellen Verordnung sowie einen Abgleich mit dem Stadtarchiv durch und da gibt es durchaus Möglichkeiten, wie wir die Immobilieneigentümer unterstützen können.
- Wie sind denn nun die Daten an das Finanzamt übermitteln und bis wann muss dies geschehen sein?
- Sollte ein Immobilieneigentümer in diesem Zeitraum vom 01.07.2022 bis 31.10.2022 sein Objekt verkaufen, wie würde sich das bezüglich der Abgabe der Informationen an das Finanzamt verhalten?
- Wonach wird der Einheitswert berechnet?
- Was folgt nach der Einreichung der Immobiliendaten?
- Was wäre Ihr Tipp gegenwärtig an die Immobilieneigentümer?
Liebe Frau Ertmer, vielen Dank, dass Sie heute mein Gast sind. In den Medien ist das Thema Grundsteuerreform immer mehr wahrzunehmen. Was hat sich im Grundsteuergesetz verändert und welche Personen sind eigentlich genau davon betroffen?
Seit 2018 hat sich eine Menge getan, denn das Bundesverfassungsgericht erklärte in diesem Jahr die bisherige Einheitsbewertung von Grundstücken und Gebäuden für verfassungswidrig. Das heißt, die Bundesregierung bekam ab 2018 in das Hausaufgabenheft geschrieben, eine verfassungskonforme Berechnungsmethode zu entwickeln. Die Kommunen dürfen ab 2025 nur noch mit dieser verfassungskonformen Methode die Grundsteuer erheben.
Es sind nun alle Immobilieneigentümer aufgerufen, die neuen Informationen an die Finanzämter zu liefern. Betroffen sind also alle Menschen, die Immobilieneigentum besitzen in Form von:
- Ein- und Zweifamilienhäusern,
- Doppelhäusern und Doppelhaushälften,
- Reihenhäusern,
- bebauten und unbebauten Grundstücken,
- Grundstücken mit einer Windkraftanlage sowie
- Eigentumswohnungen.
Wichtig bezogen auf Eigentumswohnungen ist: Der Sondereigentümer ist verpflichtet, diese Informationen abzugeben, nicht der Gemeinschaftseigentumsverwalter.
Es ist auch darauf hinzuweisen, dass jemand, der einen Erbbau-Pacht-Vertrag besitzt (meistens handelt es sich hier um einen langfristigen Pachtvertrag mit der Kirche) und ein Haus auf Kirchengrund errichtet hat, zusammen mit dem Grundstückseigentümer ebenso diese Informationen an das Finanzamt erteilen muss.
Warum ist das wichtig zu wissen? Es wird eine Wertberechnung sowohl bezogen auf das Grundstück als auch auf das aufstehende Gebäude geben. Da gibt es keine Ausnahmen.
Welche Daten werden von mir als Immobilieneigentümer eingefordert?
Das ist sehr umfangreich, denn gefordert werden:
- das Informationsschreiben vom Finanzamt,
- die Art der Immobilie,
- die Nutzungsart der Immobilie (Wohngrundstück, Bauland, unbebaut, Grünland),
- das Baujahr der Baulichkeit (sollte dieses nirgends einzusehen sein, kann man in das Bauaktenarchiv der Stadt sehen oder es muss geschätzt werden),
- die Wohnfläche (nach der Wohnflächenverordnung, nicht nach der DIN 277),
- die Grundstücksfläche,
- der Bodenrichtwert per 01.01.2022 (Stichtag der aktuellsten Ermittlung),
- das Aktenzeichen des Einheitswertes,
- die Anzahl kleiner, mittlerer und großer Wohnungen,
- die Grundbuchdaten sowie auch
- die Anzahl der Garagen und Stellplätze.
Unserer Erfahrung nach existieren oftmals bei Häusern, die älter als einem Baujahr von 1990 sind, keine aktuellen oder gar keine Grundrisse und Wohnflächenberechnungen. Angenommen dieser Fall tritt für mich als Eigentümer ein, welche Möglichkeiten habe ich, um meine Daten rechtssicher angeben zu können?
Entweder man nimmt selbst Zollstock und Lasermessgerät in die Hand und misst seine Räume nach der Wohnflächenverordnung oder übergibt dies in professionelle Dienstleistungshände.
Im Übrigen ist die Wohnflächenverordnung ein Bundesgesetz, jedoch ein kleines und smartes, und daher gut erfassbar für den juristischen Laien. In der Verordnung wird sehr genau beschrieben, welche Flächen überhaupt zur Wohnfläche gehören und welche nicht. Zum Beispiel werden außerhalb liegende Räume wie eine Waschküche nicht mit einbezogen. Bei Räumen ist es außerdem wichtig zu wissen, dass bei einer Raumhöhe ab 2 m die Wohnfläche zu 100 % berechnet wird, zwischen 1 m und 2 m nur zu 50 % und unter 1m gar nicht.
Wer diese Prozedur der Wohnflächenberechnung nicht selbst kann oder den Aufwand nicht betreiben möchte, sollte sich natürlich professionelle Hilfe suchen. Gerade Immobilienmakler sind sehr vertraut mit dem Aufmaß von Wohnflächen, ich denke da stimmen Sie mir zu.
Genau, das ist die Praxis, wenn unsere Kunden eine Immobilie verkaufen möchte. Deshalb führen Immobilienmakler in diesem Prozess immer eine Wohnflächenberechnung nach der aktuellen Verordnung sowie einen Abgleich mit dem Stadtarchiv durch und da gibt es durchaus Möglichkeiten, wie wir die Immobilieneigentümer unterstützen können.
Wie sind denn nun die Daten an das Finanzamt übermitteln und bis wann muss dies geschehen sein?
Das Zeitfenster ist mittlerweile schon „aufgeploppt“, denn die Daten müssen ab dem 01.07.2022 und dem 31.10.2022 an das Finanzamt übergeben werden. Dazu erhalten die Steuerpflichtigen von den Finanzämtern ein Informationsschreiben.
Das Zeitfenster ist jedoch sehr kurz. Wir sind aktuell mit dem Bund der Steuerzahler dabei, den Finanzminister davon zu überzeugen, dass das in dieser Zeit kaum schaffbar ist und setzen uns dafür ein, dass der Zeitraum bis zum 31.12.2022 verlängert wird, damit die Steuerpflichtigen keine Sanktionen befürchten müssen.
Dazu kommt, dass viele ältere Menschen mit dieser Thematik überfordert sind. Da kommt auch Angst auf, wenn man bedenkt, dass diese Informationen online über die Steuerplattform ELSTER abgeschickt werden sollen und es immer noch Gegenden mit schwachem Internet gibt oder wo gar keine Hardware existiert – das ist dann problematisch.
Sollte ein Immobilieneigentümer in diesem Zeitraum vom 01.07.2022 bis 31.10.2022 sein Objekt verkaufen, wie würde sich das bezüglich der Abgabe der Informationen an das Finanzamt verhalten?
Rein juristisch betrachtet sehe ich es so, dass derjenige zur Abgabe verpflichtet ist, der in diesem Zeitraum im Grundbuch eingetragen ist. Das wäre hier der Verkäufer, da selbst bei zeitnahem Verkauf der Immobilie nicht ad hoc eine Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgt. Man darf das nicht mit der Auflassungsvermerkung verwechseln, denn das ist noch keine Eigentumsumschreibung. Eigentümer ist der, der in Abteilung 1 im Grundbuch als solcher eingetragen ist und derjenige ist verpflichtet, alle Informationen zu seiner Immobilie an das Finanzamt zu übermitteln, um den Einheitswert berechnen zu lassen.
Wonach wird der Einheitswert berechnet?
Das ist eine gute Frage, die sich jedoch nicht so einfach beantworten lässt. Schenkt man den Kommunalpolitikern Glauben, soll die Berechnung aufkommenssteuerneutral sein. Die Kommune soll also nicht mehr im kommunalen Steuersäckel haben, als sie jetzt auch schon hat. Die große Unbekannte in der Berechnung ist jedoch der Hebesatz der Kommune.
Was folgt nach der Einreichung der Immobiliendaten?
Das kommt darauf an, ob alle ihre Daten tatsächlich in dem vorgegeben Zeitraum abgeben. Ich denke, die Finanzbehörden sind schon froh, wenn ca. 80 % bis 90 % der Immobilieneigentümer ihre Daten abgegeben haben.
Nach der Abgabe wird der Einheitssteuerwert berechnet bzw. herausgegeben werden. Der Bescheid wird dann höchstwahrscheinlich Ende 2023 an die Steuerpflichtigen versandt werden. Dieser Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und es sollte unbedingt geprüft werden, ob dieser korrekt ist. Ansonsten müsste man gegen den Rechtsbehelf Einspruch einlegen. Die Einspruchsfrist beträgt einen Monat nach Zugang des Bescheides. Legt der Steuerpflichtige keinen Rechtsbehelf ein, dann wird der Messsteuerwert multipliziert und es ergeht ein Messsteuerwertbescheid. Auch dieser Bescheid verpflichtet den Steuerpflichtigen noch nicht zur Zahlung. Erst Ende 2024 wird man mit den neuen Grundsteuerbescheiden rechnen können, die dann die Zahlungsaufforderung beinhalten, ab 01.01.2025 die neue Grundsteuer zahlen zu müssen.
Was wäre Ihr Tipp gegenwärtig an die Immobilieneigentümer?
Ruhe bewahren: Die meisten Immobilieneigentümer zahlen jetzt auch schon eine Grundsteuer. Die ganzen benötigten Daten sind meistens schon in den Unterlagen zur Immobilie auffindbar. Was jedoch noch nötig ist, ist eine Neuvermessung der Wohnfläche sowie die Einholung der neuen Bodenrichtwerte.