27.04.2022

Was passiert mit der geliebten Immobilie bei einer Scheidung?

Enrico Gerloff im Interview mit dem Rechtsanwalt Andreas Dahm

Die Corona Pandemie hat jedem Menschen in den letzten Jahren eine Vielzahl an Kraft, Ausdauer und Energie abverlangt. Manche Familien und Paare hat diese Zeit zusammengeschweißt, andere wiederum haben festgestellt, dass sich ihr zukünftiger Lebensweg nicht mehr gemeinsam gestalten lässt. Auch wenn in der Gesamtheit die Ehescheidungen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt (2022) seit 2008 kontinuierlich sinken, konnten wir in der Immobilienbranche feststellen, dass der Grund für einen Immobilienverkauf vor allem während der letzten 2 Jahre viel häufiger mit einer Scheidung oder Trennung verbunden war.

Um über diese Thematik aus erster Hand berichten zu können, haben wir uns einen Experten eingeladen: Rechtsanwalt Andreas Dahm.

1. Lieber Herr Dahm, es freut mich, dass Sie heute zu Gast in unseren Räumlichkeiten sind. Möchten Sie sich einmal kurz unseren Lesern vorstellen?

Guten Tag und danke, dass ich hier sein darf und in Ihre Räumlichkeiten eingeladen wurde. Ich selbst bin seit fast 30 Jahren hier in Magdeburg als Rechtsanwalt tätig – auch in eigener Kanzlei – und befasse mich sehr tiefgründig mit dem Familienrecht einschließlich Ehescheidungen, Trennungen und dergleichen.

2. Tatsächlich ist uns in der Praxis immer wieder aufgefallen, dass bei einer Scheidung oder Trennung finanzielle Interessen dahinterstecken und jeder natürlich auch seine Befindlichkeiten hat. Worauf sollte man am Anfang achten, damit die jeweiligen Parteien bei dieser empfindlichen Angelegenheit nicht so emotional belastet werden?

Es ist natürlich immer misslich, wenn ein Lebenskonzept scheitert. Es handelt sich um zwei Menschen, die sich einmal das Ja-Wort gaben und meistens auch Kinder zusammen haben. Vielleicht wurde schon eine gemeinsame Immobilie gebaut oder erworben und es sind noch Verbindlichkeiten an die Bank zurückzuzahlen. All das sind Dinge, die dann erstmal im Fall der Trennung irgendwie sortiert werden müssen.

Was ich den Menschen raten würde ist natürlich, zu versuchen auf ganz sachlicher Ebene, unabhängig von den Emotionen, die ja immer im Zusammenhang mit einer Trennung stehen, sich darüber auszutauschen – wenn eine Immobilie im Spiel ist – was machen wir jetzt mit unserer Immobilie? Ist es möglich, dass einer allein die Immobilie übernimmt oder sollte man sich dazu entschließen, diese bestmöglich zu verwerten? Dann sind da noch Kinder, die eine wichtige Rolle spielen. Möchte man das gewohnte Lebensumfeld für die Kinder erhalten? Sollten die Kinder dauerhaft bei einem Elternteil leben oder sollte das sogenannte Wechselmodell praktiziert werden?

All das sind Dinge, die besprochen werden sollten. Da kann ich auch jedem nur raten, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden. Jede Partei selbst, damit jeder für sich auch ein gutes Gefühl hat, ordentlich beraten zu werden. Vernünftige Anwälte geben dann auch Tipps, die dazu dienen, einen bestmöglichen Ausgleich zwischen den Parteien zu schaffen.

3. Jetzt haben Sie schon angedeutet, dass es ratsam ist, dass sich jede Partei einen eigenen Anwalt nimmt. Gibt es auch die Situation, vorausgesetzt beide sprechen noch miteinander und sind sich grundsätzlich einig, dass sich nur für einen einzigen Anwalt entschieden wird?

Davon kann ich nur abraten, denn ein Anwalt hat die Interessen seines Mandanten zu vertreten. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, es kommt ein Ehepaar, das sagt: „Wir möchten gern Geld sparen und uns deshalb nur einen Anwalt nehmen und lassen uns gemeinsam von diesem beraten“. Das geht sicherlich, aber wenn es dann nur die klitzekleinste Streitigkeit gibt oder verschiedene Ansichten über gewisse Dinge wie z. B. über die Höhe einer Nutzungsentschädigung, wenn nur einer allein in der Immobilie bleibt, dann kann ein Anwalt nicht mehr beide Parteien vertreten. Das wäre unzulässig und würde auch gegen das Berufsrecht der Rechtsanwälte verstoßen.

4. Häufig ist es auch so, dass nach einer Scheidung oder Trennung die Entscheidung des Immobilienverkaufs getroffen und ein Immobilienmakler zunächst kontaktiert wird, um den Wert der Immobilie bestimmen zu lassen. Aus unserer Erfahrung kann ich sagen, dass an dieser Stelle oft erkannt wird, dass noch viele andere Themen bei den Betroffenen offen bzw. nicht geklärt sind. Zum Beispiel, ob die Immobilie von einer der beiden Parteien übernommen wird oder sich beide dafür entscheiden, das gemeinsame Eigentum zu verkaufen.
Was sind hier Ihre Erfahrungen und auf was sollte man in den kommenden Schritten besonders achten?

Also oft ist es so, dass i. d. R. Mann und Frau ein bisschen aneinander herumschleichen und sich gar nicht festlegen möchten aus der Unwissenheit heraus, wie hoch denn letztendlich der Wert ihrer Immobilie ist.

Man weiß also vorher nicht, ob noch Schulden übrigbleiben oder ob über einen Verkauf mehr Erlös herausbekommen wird und damit ein neuer Lebensabschnitt finanziert werden könnte. Das wäre das Erste, wo man tatsächlich wissen muss: Was würde unsere Immobilie bringen, wenn wir sie auf dem freien Markt anbieten und diese über ein seriöses Maklerunternehmen verkaufen würden. Der Wert einer Immobilie muss dem aktuellen Markt folgen und darf weder zu hoch noch zu niedrig angesiedelt werden, weshalb ein professioneller Makler hinzugezogen werden sollte.

Wenn man den Preis einer sachgerechten Einwertung hat, muss man sich überlegen: Ist denn einer von beiden Parteien überhaupt in der Lage, die Grundpfandrechte allein zu übernehmen? Also das, was im Grundbuch abgesichert ist für die Bank. Ist er auch in der Lage, bei einem theoretischen Mehrerlös bei Immobilienverkauf, dem anderen die Hälfte auszuzahlen? Oftmals ist es dann so, dass man einsehen muss, dass einer allein die Immobilie nicht tragen kann und sich dann schweren Herzens für einen bestmöglichen, freihändigen Verkauf entschieden wird. Denn ansonsten kann es dazu führen, dass die Angelegenheit im Teilungsversteigerungsverfahren landet. Dann weiß niemand, wie lang dieses Verfahren dauert, wer den Zuschlag bekommt und zu welchem Preis die Immobilie dann verkauft wird.

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5. Sofern es sich um zwei Eigentümer handelt, kann nicht nur einer allein über den Vermögensgegenstand entscheiden. Angenommen die eine Person ist bereit, über einen Verkauf der Immobilie zu sprechen, die andere Person stellt sich jedoch grundlegend quer, was kann passieren und wie kann man das Schlimmste vermeiden?

Das ist kompliziert. Im Zuge einer Trennung liegen häufig noch die Emotionen ganz oben und dann ist man kaum in der Lage, miteinander sachlich zu sprechen. Meine erste Empfehlung wäre tatsächlich, diese Gefühle versuchen beiseite zupacken und zu sagen: „Okay, lass uns jetzt über die Immobilie reden“. Bei der Bank sollte sofort nachgefragt werden, wie hoch die aktuelle Restschuld wäre, die man zu zahlen hätte und wie viel man der Bank zahlen müsste, um aus diesem Kredit herauszukommen. Dann hat man als erstes die Zahl der aktuellen Schulden. Beide Parteien stehen sicherlich auch im Darlehensvertrag, sind Gesamtschuldner und haften beide gegenüber der Bank.

Dann muss ein exakter Marktwert ermittelt werden. Wenn das von einem seriösen Maklerbüro übernommen werden kann, sollte das in Anspruch genommen werden. Dann hat man die Vergleichszahlen. 

An dem Punkt muss dann nachgedacht werden: „Was machen wir nun am besten?“ Weil, wenn einer beispielsweise in der Immobilie mit den Kindern wohnen bleibt und der andere auszieht, dann hat der Ausgezogene, der meistens auch zur Hälfte im Grundbuch steht, einen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung. Das wird oft vergessen.

Das alles sind Dinge, die man auf den Tisch legen muss, notfalls auch mit fachkundigem, anwaltlichem Rat. Wenn beide im Grundbuch stehen, kann natürlich einer allein die Immobilie nicht verkaufen bzw. über diese verfügen. Das kann sowohl Vor- als auch Nachteil sein. 

Beide müssen letztendlich eine Einigung finden und wenn das nicht passiert, steht es jedem frei, die Teilungsversteigerung zu beantragen und das wäre dann der Worst Case. Dieser sollte dringendst vermieden werden.

6. Das war sehr informativ und umfangreich. Herr Dahm, wie würden Sie nochmal die drei wichtigsten Punkte zusammenfassen, worauf sollte man in so einer Situation dringend achten?

Punkt eins habe ich schon oft betont: Sachlichkeit. Bei einer Trennung muss versucht werden, sich sachlich mit dem gemeinsamen Vermögen auseinanderzusetzen und erstmal eine Expertise einzuholen, welchen Wert die gemeinsame Immobilie hat.

Zweitens ist es wichtig, für jeden selbst, zu überdenken, ob man in der Lage ist, die Finanzierung der Immobilie allein fortzusetzen, mit allem, was damit verbunden ist (Auszahlung des Partners, alleinige Übernahme der Schulden, usw.). 

Drittens: Sollte der Entschluss gefasst sein, dass die Immobilie verkauft werden soll, zeitnah an einen seriösen und professionellen Makler wenden und das Objekt zum bestmöglichen Verkaufspreis veräußern, so dass sich beide Parteien den Erlös teilen und davon einen neuen Lebensabschnitt aufbauen können.

Herr Dahm, ich danke Ihnen für das informative Gespräch. Ich denke, da war eine Menge Inhalt für unsere Leser dabei und sollte sich jemand davon mal in genauso einer Lage befinden, stehen Sie sicherlich jederzeit für ein Beratungsgespräch bereit. Vielen Dank für Ihre Teilnahme!

Sehr gern, danke, dass ich hier sein durfte. Ich hoffe, dass dieses Interview einen kleinen Beitrag dazu leistet, dass sich frisch Getrennte doch nochmal zusammensetzen und überlegen: „Wie gehen wir jetzt vor?“, damit eine gemeinsame Entscheidung getroffen werden kann.

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Möchten Sie noch mehr zu diesem Thema erfahren oder haben ein Anliegen? Dann steht Ihnen Herr Dahm gern für ein Gespräch zur Verfügung – Was passiert mit der geliebten Immobilie bei einer Scheidung?

Was passiert mit der geliebten Immobilie bei einer Scheidung?

Rechtsanwaltskanzlei Dahm

Telefon: 0391 7316111

E-Mail: sek@kanzlei-dahm.de 

Autor: 

Andreas Dahm – Rechtsanwaltskanzlei Dahm, 

Enrico Gerloff – Sorglosmakler GmbH, 

Jasmin Pessel – Sorglomakler GmbH

Quellen: 

Statistisches Bundesamt (2022) | Stand: 13.04.2022 (https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=ergebnistabelleDiagramm&option=diagramm&levelindex=2&levelid=1649830698626&downloadname=12631-0001#abreadcrumb)

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